„Erfolgreich scheitern bedeutet, nie zu vergessen, wo man herkommt“
Ariane Lindemann trifft Unternehmer:innen aus dem CyberForum-Netzwerk und spricht mit ihnen über aktuelle Entwicklungen, besondere Erfolge, Innovationen und Zukunftstrends ihrer Unternehmen. Das Format bietet interessante Einblicke in die Aktivitäten und Perspektiven unserer CyberForum-Mitglieder und zeigt, wie sie sich den Herausforderungen der Zukunft stellen und welche Trends sie in ihrer Branche sehen.
Heute im Interview: Michael Kroheck
Michael Kroheck ist ein vielseitiger Unternehmer und Coach, der bereits mit 18 Jahren seine erste Firma gründete. Seine Karriere begann in der semiprofessionellen Kunstszene Mannheims, wo er eine Postergalerie betrieb und schnell erkannte, dass seine Stärken im Verkauf lagen. Über die Jahre entwickelte er seine unternehmerischen Fähigkeiten weiter und gründete mehrere Unternehmen in verschiedenen Branchen, von einer kleinen Druckerei und einem Oldtimer-Unternehmen bis hin zu einer Werbeagentur. Besonders prägend war und ist seine Zeit im CyberForum-Netzwerk in Karlsruhe, wo er die Anfänge der Digitalisierung und der New Economy miterlebte. Heute widmet er sich hauptsächlich dem Coaching und der Business-Development-Beratung, wobei er Startups und Scaleups unterstützt, und ihnen u.a. hilft, die Balance zwischen beruflichem Erfolg und privatem Glück zu finden.
Was hat dich motiviert, nach deinen eigenen Erfahrungen als Unternehmer auch andere Menschen im Bereich Business-Development und Coaching zu unterstützen?
Große Veränderungen wie Heirat, Kinder, Jobwechsel, Selbständigkeit oder schwere Zeiten wie Krankheit, Tod oder Trennung werfen viele Fragen auf. Manchmal fühlt es sich an, als müsste man Entscheidungen ins Ungewisse treffen – ähnlich wie heute beim Klimawandel oder den Kriegen in Europa. Ich selbst hätte mir in solchen Phasen mehr Menschen gewünscht, die mir mit ihren Erfahrungen weiterhelfen. Das war mein Antrieb.
Wie bist du an die Leute rangetreten? Die Startups suchen das ja nicht wirklich, weil sie meistens ja noch gar nicht wissen, was da auf sie zukommen kann …
Ich habe das nie aktiv vermarktet, es hat sich immer ergeben. Am Anfang steht immer eine typische Business-Development-Aufgabe, Aber mit der Zeit und wachsendem Vertrauen ergeben sich dann tiefgründigere Themen.
Kannst du uns von einem besonders prägenden Moment in deiner Karriere erzählen, als du jemandem geholfen hast, seine Leidenschaft zu entdecken?
Es gibt unzählige solcher Momente. Schon mit Mitte zwanzig habe ich junge Unternehmer:innen gecoacht und älteren Unternehmer:innen geholfen, ihre Firmen zu übergeben. Als ich dann mit Anfang dreißig zum CyberForum kam, hatte ich zwar Erfahrung, aber keine Ahnung, was mich erwarten würde. Dann kamen 20 Jahre bei PHOENIX. Das gilt als das mit Abstand beste Format für Führungskräfte auf dem Weg in die Selbständigkeit im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit. Das war eine megaspannende Erfahrung.
Wie würdest du eine Krise definieren und wie können Menschen lernen, Krisen als Chancen zu sehen?
Eine Krise ist etwas Neues und Unerwartetes, das nicht zu deinen Plänen passt oder im Konflikt mit deinen Werten steht. Das Leben ist eine Aneinanderreihung von Krisen und deren Lösungen. Thorwald Detlefsen und Rüdiger Dahlke haben schon in den 70ern und 80ern über Krisen als Chancen geschrieben. Wenn du Krisen als Lernmöglichkeiten begreifst, entwickelst du dich schneller. Steve Jobs sprach von "connecting the dots" – er meinte damit, dass man im Leben Ereignisse oder Entscheidungen nicht sofort in ihrer Bedeutung oder ihrem Zusammenhang erkennen kann. Man sollte darauf vertrauen, dass die scheinbar zufälligen Ereignisse im Leben im Nachhinein einen Sinn ergeben und zu einem größeren Ganzen führen.
Womit haben Führungskräfte oft zu kämpfen?
Zum einen mit ihrer Hybris, also Selbstüberschätzung und Hochmut. Zum anderen mit der vermeintlichen Erwartungshaltung ihrer Mitarbeitenden. Es gibt einen Unterschied zwischen Management und Leadership.
Welche Methoden und Ansätze nutzt du, um Führungskräfte und Unternehmer:innen in schwierigen Zeiten zu unterstützen?
Meine Methodenkompetenz hält sich in Grenzen. Ich setze auf Storytelling, lasse die Menschen reden und stelle Fragen, die sie sich selbst nie stellen würden. Ich sehe mich nicht als Berater, sondern als Erklärer.
Kannst du ein paar dieser Fragen, die man sich selbst nie stellen würde, mit uns teilen?
Eine zentrale Frage ist: Was würdest du tun, wenn du nie mehr Geld verdienen müsstest? Daraus ergeben sich viele weitere Fragen wie: Welche Arbeit würdest du machen? Wo würdest du leben? Auch spannend ist die Frage; Mit welchem Menschen würdest du die Identität tauschen wollen und warum?
Mit wem würdest du gerne die Identität tauschen?
Ich möchte ehrlich gesagt mit niemandem tauschen. Aber wer mich sehr beeindruckt hat, ist Sir Peter Ustinov, ein sog. „Renaissance Man“, jemand, dem die Natur viele Talente gegeben hat und der es schafft, daraus ein ganz wundervolles Lebensgesamtkunstwerk zu erschaffen.
Was sind deiner Meinung nach die häufigsten Gründe, warum Menschen so lange mit Veränderungen warten?
Wir Menschen sind von Natur aus träge und bequem. 99 Prozent der Menschen werden verändert, sie verändern sich nicht aktiv. Erst wenn der Druck oder der Schmerz zu groß wird, ändern wir etwas. Oft geht dem eine Krankheit voraus.
Wie schaffst du es, die richtige Balance zwischen Empathie und der nötigen Härte zu finden, die manchmal erforderlich ist, um jemanden voranzubringen?
Ob ich diese Balance wirklich hinbekomme? Meine Methode ist Visualisierung: Wenn du dir in aller Konsequenz vorstellst, was passiert, wenn du nichts änderst, und dann visualisierst, wie es sein könnte, hat das eine magische Kraft. Härte braucht es da nicht.
Hast du ein persönliches Lebensmotto?
Ja, mein Großvater hat mir den Satz „Tue, was du sagst!“ mit auf den Weg gegeben. Heute wird viel zu viel geredet, und Social Media verstärkt das noch. Ich sage meiner Tochter immer: „Achte auf die Taten anderer, nicht auf deren Worte.“
Du hast eine beeindruckende Karriere als Serial Entrepreneur. Wie hat diese Erfahrung deine Coaching-Philosophie geprägt?
Beeindruckend ist relativ. Ich habe viele Fehler gemacht, oft mehrmals, um ganz sicherzugehen, was nicht funktioniert. Mittlerweile bin ich so geübt im Stolpern, dass es aussieht, als würde ich durch das Leben tanzen. Ich glaube: Fehler gepaart mit Geschwindigkeit – das ist der Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg. Als Coach gebe ich dir Kontext und zeige dir Türen, aber durchgehen musst du selbst.
Wie haben deine eigenen Fehler und Rückschläge dir geholfen, ein besserer Coach zu werden?
Elmar Buschlinger, früher Geschäftsführer im CyberForum und ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender in einer meiner Beteiligungsgesellschaften, lehrte mich Demut. Erfolgreich scheitern bedeutet, zu wissen, wohin man will, aber vor allem auch, nie zu vergessen, wo man herkommt.
Was sind die häufigsten Herausforderungen, denen deine Klient:innen gegenüberstehen, wenn sie den Weg in die Selbständigkeit wagen?
Existenzangst ist die größte Hürde. Dicht gefolgt von der Erkenntnis, dass man kein Produkt oder eine Dienstleistung verkauft, sondern die Lösung eines Problems. Und viele ehemalige Führungskräfte überschätzen ihre Netzwerke, die in der Selbständigkeit oft neu aufgebaut werden müssen, weil die alten nicht mehr funktionieren.
Wie haben deine persönlichen Erfahrungen mit Themen wie Burnout oder Krankheit deine Arbeit beeinflusst?
Erfahrungen wie Herzrhythmusstörungen, Herzschrittmacher, Burnout und Midlife-Crises haben mein Leben und meine Arbeit tiefgreifend verändert. Solche Einschnitte zwingen dich, deine Ansichten und Werte zu überdenken, manchmal sogar deine gesamte Persönlichkeit neu zu definieren. Diese Erfahrungen wirken wie ein Katalysator und beschleunigen die Persönlichkeitsentwicklung enorm – sie helfen dir, die beste Version deiner selbst zu werden.
Was sind die wichtigsten Werte, die deine Arbeit leiten, und wie integrierst du diese in deine Coaching-Sitzungen?
Respekt vor der Lebensgeschichte anderer ist zentral für meine Arbeit – ich versuche, in den Schuhen meiner Klient:innen zu gehen. Ich frage oft: „Was wäre, wenn?“ und helfe meinen Klient:innen, vom Pessimisten über den Realisten zum Possibilisten zu werden. Meine wichtigsten persönlichen Werte sind Ordnung, Ehre, Neugier, Unabhängigkeit und Macht – wobei Anerkennung für mich keine Rolle spielt. Deshalb nutze ich Macht nicht, um zu beeinflussen, sondern um zu inspirieren. Mein Coaching zielt darauf ab, dass meine Klient:innen das tun, was sie lieben, und es für sich selbst tun, weil es sie erfüllt.
Wie wichtig ist Dankbarkeit in deinem Leben und deiner Arbeit und wie vermittelst du diese Haltung an deine Klient:innen?
Ich habe „Dankbarkeits-Termine“ in meinem Kalender, um diese Haltung zu üben. Dankbarkeit ist wie ein Muskel, den man trainiert.
Welche Ratschläge würdest du jemandem geben, der gerade in einer Phase großer Unsicherheit steckt und nach einem neuen Lebensweg sucht?
Erstens: Sei ein Bremer Stadtmusikant: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall“, heißt es in dem Märchen der Gebrüder Grimm. Ein Bremer Stadtmusikant zu sein, symbolisiert den Geist des Optimismus, der Zusammenarbeit und des Aufbruchs in eine neue bessere Zukunft, auch wenn die Umstände schwierig sind. Zweitens: Werde ein Possibilist. Ein Possibilist sieht Möglichkeiten dort, wo andere nur Probleme sehen, und ist bereit, innovative und kreative Wege zu finden, um Ziele zu erreichen.
Wie hältst du dich selbst motiviert und inspiriert in deiner Arbeit?
Durch Reisen, Lesen und Motorradfahren.
Was bedeutet für dich ein erfülltes Leben und wie hilfst du deinen Klient:innen, dieses Ziel zu erreichen?
Die Japaner:innen nennen es Ikigai – ein Konzept, das den Sinn des Lebens beschreibt, indem es vier Elemente vereint: was du liebst, worin du gut bist, was die Welt braucht und wofür du bezahlt werden kannst. Es geht darum, eine Balance zwischen diesen Aspekten zu finden, um ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen.
Welche Rolle spielt deine Familie in deinem Leben und wie hat sie deine berufliche Reise beeinflusst?
Ich komme aus einfachen Verhältnissen: Früher dachte ich, meine Familie sei ein Ballast. Familie begann für mich erst richtig mit 40, als meine Tochter Anna-Sophie auf die Welt kam. Meine Mutter starb 2007 mit 64, mein Vater 2010 mit 74. Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich meine Eltern in mir. Ich bin dankbar für alles, was sie mir mitgegeben haben: ihre konservativen Werte wie Ordnung, Pünktlichkeit und Höflichkeit, aber auch die Geduld, zuzuhören und die Empathie, mitzufühlen. Diese Werte prägen meine berufliche Reise und meinen Coaching-Ansatz tief.