Fühlen und Denken unter Stress

Mitglieder 26.08.2019 Techniker Krankenkasse

Jeder Mensch reagiert anders auf Stress: Manche explodieren bei der kleinsten Gelegenheit vor Zorn. Andere möchten sich bei Stress am liebsten unter der Bettdecke verkriechen. Wie wir uns fühlen, wenn wir im Stress sind, hängt auch von unseren Gedanken ab. Wir können uns mit ihnen selbst beruhigen, aber auch in Angst und Schrecken versetzen.

Ob wütend, aggressiv, in Panik, ängstlich, unsicher oder gereizt: Unsere Gefühle haben eine ganze Menge damit zu tun, was wir denken. In der jeweiligen Situation, aber auch generell über die Welt und über uns selbst. Denken Sie an einem besonders stressigen Arbeitstag: "Mein Gott, wie soll ich das nur schaffen?", werden Sie andere Gefühle haben, als wenn Sie im Supermarkt in der Schlange vor der Kasse stehen und innerlich stöhnen: "Mein Gott, geht das hier wieder langsam!" Von Ihren Gedanken, Erfahrungen und Einstellungen hängt es vor allem ab, ob Stress Sie eher ängstlich macht oder wütend.

Sich selbst wahrnehmen hilft

Prüfen Sie einmal, wie Sie sich fühlen, wenn Sie unter Stress sind, und was Sie dann denken. Sie werden feststellen, dass sich Ihre Gedanken und Gefühle auch in unterschiedlichen Situationen ähneln. Wenn Sie das eine Weile systematisch machen, lernen Sie Ihre Denk-Gewohnheiten unter Stress besser kennen. Nicht nur das: Sie können dann auch überprüfen, ob es eigentlich realistisch ist, was Sie denken oder ob Sie sich Gedanken machen, die eigentlich völlig sinnlos sind.

Was hilft es zum Beispiel, wenn Sie morgens im Stau stehen, vor Ärger auf das Lenkrad schlagen und sich aufregen: "Was sind das bloß für Trottel hier vor mir! Können Sie nicht mal schneller losfahren?" Oder wenn Sie denken: "Oh nein, ich komme zu spät! Schrecklich! Was wird mein Chef nur von mir denken?!" und in Schweiß geraten? Ändert das irgend etwas daran, dass Sie im Stau stehen? Hilft es Ihnen, den Verkehr wieder in Gang zu bringen? Und: Müssen Sie das denken und so bei sich selbst Wut oder Angst erzeugen? Nein. Sie könnten sich auch sagen: "Mist, ich stehe im Stau. Kann ich etwas daran ändern? Nein, im Moment nicht. Also nur ruhig. Ruf an, sag Bescheid, und dann hör ein bisschen Radio." So werden Sie den Stau mit weniger Stress überstehen.

Wie wir uns selbst unter Druck setzen

Oft sind wir selbst unsere strengsten Antreiber. Mit Forderungen wie "Mach es immer perfekt" oder "Sorg dafür, dass du von allen gemocht wirst" setzen uns selbst unter Druck und nehmen uns Handlungsmöglichkeiten. Solche inneren Antreiber sind oft nicht bewusst präsent, aber innerlich wirksam. Wir glauben, dass wir sie unbedingt erfüllen müssen. Wenn nicht, so fürchten wir, könnte etwas Schreckliches passieren. Meist wissen wir gar nicht bewusst, was das sein könnte. Aber mit ein wenig Nachfragen an sich selbst ist es möglich, es herauszufinden.

Oft sind es ganz einfache, persönliche Katastrophen, die wir fürchten. Zum Beispiel, nicht geliebt zu werden. Verlassen zu werden. Diese Furcht ist die Furcht eines Kindes. Denn für ein Kind ist dauerhafter Liebesentzug existenzbedrohend. Es entwickelt deshalb Strategien, um ihn zu vermeiden. Und oft hilft dann: Keine Fehler machen. Immer lieb sein. Schön vorsichtig sein. Oder wenn der Liebesentzug schon Realität ist: zu lernen, allein zurechtzukommen.

Unsere Anforderungen an uns selbst sind früh gelernte, erfolgreiche Wege, solchen Katastrophen aus dem Weg zu gehen. Und weil sie sich in der Vergangenheit als wirksam erwiesen haben, stellen wir sie meist auch als erwachsener Mensch nicht in Frage. Der Preis dafür ist Angst und Stress ist Situationen, in denen wir glauben, diese Forderungen nicht erfüllen zu können.

Stressverstärkende Einstellungen

Ein paar Beispiele für Einstellungen, die einem das Leben schwer machen können:

- Sei perfekt! Mach auf keinen Fall Fehler.

- Sei beliebt! Geh Konflikten aus dem Weg.

- Sei stark! Zeig keine Schwäche und mach dich bloß nicht abhängig.

- Pass bloß auf! Sorg für 100-prozentige Sicherheit, bevor du dich entscheidest.

Realitäts-Check

Erkennen Sie etwas davon bei sich selbst? Dann fragen Sie sich, wie realistisch diese Anforderungen sind und ob Sie sie wirklich immer und vollkommen erfüllen müssen. Vielleicht entdecken Sie, dass "immer" eigentlich nur "manchmal" heißen muss. Vielleicht können Sie sehen, dass die Konsequenzen, die Sie befürchten, heute gar nicht mehr so schlimm für Sie wären. Finden Sie heraus, an welcher Stelle Sie vielleicht auch einmal auf die Forderung verzichten und sich den Freiraum geben können, anders zu handeln: Mal fünfe gerade sein zu lassen. Oder die eigenen Meinung klar zu vertreten. Oder Hilfe anzunehmen, wenn sie nötig ist.

Positive Selbstgespräche

In Stresssituationen tauchen oft Gedanken auf wie "Das schaffe ich nie", "Das wird schiefgehen" oder "Ich bin unfähig". Wenn Sie solche Gedanken bemerken, können Sie versuchen, sie durch ermutigendere Gedanken zu ersetzen. Das erfordert ein wenig Übung und auch ein bisschen Vorbereitung. So gehen Sie dabei vor:

- Schreiben Sie die Gedanken auf, die Ihnen in einer Stresssituation durch den Kopf  gegangen sind.

- Teilen Sie sie in positive und negative Gedanken auf.

- Überlegen Sie sich positive Gedanken anstelle der negativen. Es ist dabei wichtig, dass Sie die positiven Formulierungen akzeptieren können. Also statt "Bestimmt mache ich Fehler" sagen Sie sich nicht "Bestimmt mache ich keine Fehler", sondern eher "Wenn ich Fehler mache, ist es nicht so schlimm." Es kommt darauf an, dass Sie den positiven Gedanken, den Sie einsetzen wollen, weitgehend für wahr halten. 

- Überlegen Sie sich weitere positive Gedanken, mit denen Sie sich unterstützen können.

- Taucht die Stresssituation wieder auf, ersetzen Sie Ihre automatisch auftauchenden negativen Gedanken, sobald Sie sie bemerken, durch die ermutigenden Gedanken.

Distanz gewinnen

Manchmal hilft es in einer Stresssituation auch, sich einfach zu fragen: Was werde ich wohl in zehn Jahren über diese Situation denken? Das rückt viele Dinge ins rechte Licht.