„Mehr baggern – weniger Büroprozesse“

CyberForum 25.09.2023
Fotohinweis: SDaC

Schnittstellenchaos, unstrukturierte Datenformate, immer noch viel Papierkram – leider Alltag in der Baubranche. Mit dem Forschungsprojekt SDaC nimmt die Bauwirtschaft jetzt jedoch Kurs auf die vollautomatisierte Baustelle.

Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen profitieren von dieser Entwicklung, wie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Rahmen des SDaC-Projekts „Smart Design and Construction“ zeigt. Ziel des Projektes ist es, gängige Datenformate mit KI so aufzubereiten, dass Unternehmen über eine niedrige Eintrittsschwelle innovative Technologien einsetzen und durch eine nahtlose Datenübertragung ihre Dokumente effizient digitalisieren und organisieren können. Das CyberForum mit seinem Netzwerk bringt als Konsortialpartner gebündelte Expertise zur Entwicklung von Netzwerken und Ökosystemen mit ein. Bei einem Abschluss-Event wurden die Projektergebnisse präsentiert.

Wie kann die Bauindustrie von KI profitieren? Dieser Fragestellung hatte sich SDaC, das vom Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) am KIT koordiniert wurde, in den vergangenen dreieinhalb Jahren verschrieben. Hauptanliegen des interdisziplinären Forschungsprojektes, bestehend aus mehr als 40 Projektpartnern, war es, eine Plattform sowie konkrete Anwendungen mit Methoden der Künstlichen Intelligenz zu entwickeln, die einen Beitrag zur digitalen Transformation der Bauwirtschaft leisten werden. Dabei wurden zahlreiche Anwendungsszenarien erkannt, in denen die Integration von KI signifikante Fortschritte in der Bauindustrie ermöglicht.

Dokumente und Lieferscheine einfach organisieren

Die stark heterogene Informationslandschaft in der Bauwirtschaft erschwert die Implementierung innovativer Technologien. "Wir haben eine Plattform entwickelt, auf der sich unter anderem Projektdokumente, wie beispielsweise PDF-Lieferscheine, digitalisieren und strukturieren lassen“, so Professor Shervin Haghsheno, wissenschaftlicher Leiter von SDaC am TMB. „Mit SDaC haben wir die Mehrwerte von KI gezeigt, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Gerade diese haben mit vielen Datenformaten zu tun, die häufig nicht digital und strukturiert vorliegen“, betont Projektleiterin Svenja Lauble vom TMB.

Um die Vorteile von KI in der Bauwirtschaft hautnah erlebbar zu machen, haben die Projektbeteiligten von SDaC neun KI-Demonstratoren entwickelt, die Organisationen in der Bauwirtschaft bei der Planung und Umsetzung von Bauprojekten zu unterstützen. Diese Demonstratoren stehen auf der Plattform kostenlos zum Testen zur Verfügung. Darüber hinaus ist geplant, diese Anwendungsfälle auch nach Projektabschluss in der Praxis zu erproben und die gewonnenen Erkenntnisse in die gesamte Branche zu tragen.

Baubranche hat großen Bedarf an Digitalisierung

„Wir setzen zwar täglich die modernsten digitalen Tools ein – dennoch haben wir uns in Wirklichkeit nur das Papierchaos auf den Bildschirm geholt“, sagt Dominik Steuer, Geschäftsführender Gesellschafter des Bauunternehmens Steuer Group im Rahmen der Veranstaltung. „Diese Fragmentierung der Anwendungen ist ein großes Problem. Was wir wollen, ist: mehr baggern – und weniger Büroprozesse.“

Dass der Einsatz von KI Transparenz erfordert, betonte Dr. Klaus Glasmacher vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das das Projekt über dreieinhalb Jahre mit rund neun Millionen Euro gefördert hat. „KI ist nur anwendbar, wenn man Daten hat. Sich darauf einzulassen, Daten zu teilen, um neue Geschäftsmodelle zu etablieren – an diesem harten Weg führt für die Bauwirtschaft in Deutschland nichts vorbei.“

Prof. Dr. Gerhard Satzger vom Digital Service Innovation am KIT unterstrich die große Nachfrage nach KI-Expertise in der Baubranche. „Laut einer McKinsey-Studie wird heute oft ähnlich wie vor 100 Jahren gebaut. Deshalb sind wir überzeugt, dass die Baubranche einen sehr großen Bedarf an Digitalisierung und Automatisierung hat.“ Er betont außerdem die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei SDaC: „Innovation findet da statt, wo man die eigenen Disziplinen überschreitet und sich mit anderen Disziplinen auseinandersetzt.“

Projekterfolge von SDaC: Startup-Gründung, App und Folgeprojekt NaiS

Weil auf der Baustelle sehr schnell sehr viele Lieferscheine auf Papier zusammenkommen, haben die Forschenden eine App entwickelt, die manuelle Prozesse reduziert. Die App „Lieferscheine digitalisieren“ ist ab Herbst 2023 über den App Store erhältlich.

Gleichzeitig besteht auf der Plattform die Möglichkeit der Experten-Vermittlung. Rund 230 Softwarefirmen, die sich auf KI in der Bauwirtschaft spezialisiert haben, sind hier vertreten.

„Mit SDaC sind wir einen wichtigen Schritt in Richtung einer intelligenteren und effizienteren Bauwirtschaft gegangen“, sagt Diego Cisterna vom TMB und Mitgründer von Valoon. Das Dortmunder Startup – ein Derivat des SDaC-Forschungsprojektes – nutzt bestehende etablierte Messengerdienste, wie WhatsApp, um die Arbeit auf der Baustelle zu digitalisieren.

Im Anschlussprojekt NaiS – Nachhaltige intelligente Sanierungsmaßnahmen werden einzelne Demonstratoren weiterentwickelt. Das vom BMWK geförderte Projekt befasst sich mit dem Einsatz von KI, um Sanierungsmaßnahmen zu optimieren.