Roboter, die Sprache verstehen und eigenständig handeln? Für Dr. Ralph Lange keine Zukunftsvision mehr, sondern eine Entwicklung, die er genau verfolgt. Als Experte für KI und Robotik bei TRUMPF sieht er, wie künstliche Intelligenz die Industrie grundlegend verändert – und wie sogenannte Foundation Models klassische Lösungen in kurzer Zeit überholen. In der Eröffnungs-Keynote bei unserer Veranstaltung Future Rising am 3. Juli 2025 gibt er Einblicke in eine Welt, in der Maschinen nicht mehr nur gehorchen, sondern verstehen – und sogar erklären können, warum sie etwas tun. Im Gespräch erklärt er, was diese Entwicklung für den Mittelstand bedeutet, wie TRUMPF damit umgeht – und was ihn persönlich an dieser neuen Robotik-Welle begeistert.
Dr. Ralph Lange im Gespräch mit Ariane Lindemann
Ralph, du sprichst in deiner Keynote davon, dass Foundation Models die Robotik gerade komplett umkrempeln. Was genau passiert da – und warum ist das so ein Gamechanger?
In den letzten Jahrzehnten ist sehr viel Geld und Arbeit in die Erforschung und Entwicklung von algorithmischen Lösungen für die typischen Problemstellungen in der Robotik geflossen, z.B. SLAM (Simultaneous Localization and Mapping) zur Kartierung und Lokalisierung für mobile Roboter, algorithmische Methoden zur Berechnung und Regelung von Bewegungen aller Art und Algorithmen zur Planung komplexer Missionen. Machine Learning hat bei einigen Themen schon lange eine wichtige Rolle gespielt, insbesondere damit ein Roboter die Umgebung mit Kameras und 3D-Sensoren wahrnehmen kann. Ein anderes Beispiel sind Aufgaben mit intensivem physischem Kontakt, wie dem Greifen von Gegenständen.
Die Forschung der letzten zwei Jahre zeigt, dass Foundation Models und generative KI es ermöglichen, in den allermeisten Feldern der Robotik klassische algorithmische Lösungen durch Machine Learning zu ersetzen. Das gilt teilweise sogar für Felder, in denen über viele Jahre an algorithmischen Lösungen gearbeitet wurde. Durch Vision-Language-Action-Modelle lassen sich viele Aufgabenstellungen, für die es früher ein klares Zusammenspiel algorithmischer Lösungen gab, Ende-zu-Ende lösen, also von den Sensoren direkt auf die Motoren.
Die klassischen Algorithmen haben weiterhin ihre Berechtigung. Sie sind häufig effizienter im Sinne des Rechenaufwands und für Bediener und Anwender verständlicher und erklärbarer. Am Ende wird sich sicher eine geschickte Kombination durchsetzen. Aber in welcher Form und für welche Aspekte ist eine offene Frage.
Was heißt das konkret für die Industrie hierzulande – vor allem für mittelständische Unternehmen? Eher Aufbruchstimmung oder eher Alarm?
KI bietet uns große Chancen! Sie nicht zu nutzen, bedeutet für Unternehmen, auf Wettbewerbsvorteile zu verzichten. Daher rate ich allen Firmen, sich frühzeitig mit KI zu beschäftigen.
Die modernen KI-Methoden erlauben eine viel höhere Autonomie robotischer Systeme als klassische Verfahren, in denen das Verhalten des Roboters vorprogrammiert oder spezifiziert ist. Im Falle von Problemen während der Ausführung – und damit meine ich nicht Hardware- oder Softwarefehler, sondern typische Ausnahmen, die in der Interaktion mit der realen Welt auch uns Menschen gelegentlich passieren – können die KI-Methoden helfen, Lösungstaktiken abzuleiten und den eigentlichen Prozess sicher wiederaufzunehmen. Dies wird ermöglichen, robotische Systeme viel robuster zu betreiben.
Außerdem werden die KI-Methoden ermöglichen, die Programmierung von Robotern durch natürlichsprachliche Anweisungen, Gesten und beispielhaftes Vormachen zu ersetzen. Insbesondere für die Fertigung kleiner Losgrößen ist dies ein Gamechanger. Dadurch werden robotische Lösungen für solche Fertigung überhaupt erst ökonomisch interessant.
Als Leitanbieter und Leitanwender für die digital vernetze Fertigung sind wir bei TRUMPF ideal aufgestellt, die Mehrwerte von KI für die industrielle Fertigung zu nutzen. Auch im Bereich der Robotik haben wir schon konkrete Lösungen auf den Markt gebracht, etwa beim automatisierten Absortieren von Bauteilen.
Humanoide Roboter machen gerade viele Schlagzeilen – aber wo passieren die spannenden Dinge vielleicht abseits der großen Bühnen?
Die Humanoide Robotik ist Projektionsfläche der aktuellen KI-Entwicklungen in der Robotik. Viele Universitäten und Unternehmen demonstrieren Forschungsergebnisse an humanoiden Robotern - auch Unternehmen, die selbst keine solchen Roboter entwickeln. Umgekehrt gibt es gerade in China auch einige Unternehmen, die die Hardware und grundlegende (KI-basierte) Steuerungsverfahren für humanoide Roboter bereitstellen, die weiteren Funktionen aber anderen Playern überlassen.
Viele Startups, die sich mit modernen KI-Verfahren für Robotik beschäftigen und ihre Ergebnisse an humanoiden Roboter demonstrieren, haben aber sehr wohl auch Industrieroboter, Cobots oder Autonome Mobile Roboter (AMRs) auf dem Business-Plan. Es ist unklar, in welchen Feldern und für welche Aufgaben sich dem Menschen nachempfundene Roboter durchsetzen werden. Neben dem Anschaffungspreis sind Faktoren wie Flexibilität, Wartungskosten und Maschinensicherheit ausschlaggebend.
TRUMPF ist bekannt für technologische Exzellenz. Wie stark ist das Thema KI und Robotik bei euch schon angekommen – und wie geht ihr mit der rasanten Entwicklung um?
Als Innovationsgarant spielt das Thema KI eine wichtige Rolle in der Unternehmensstrategie von TRUMPF. Um seine Aktivitäten in diesem Bereich zu bündeln, auszubauen und zu beschleunigen hat TRUMPF beispielsweise im Februar 2025 den AI-Hub gegründet.
Im Bereich der Robotik setzt TRUMPF klassische Industrieroboter seit vielen Jahren in einer Reihe von Produkten ein, zum Beispiel der TruLaser Weld zum automatisierten Laserschweißen oder der TruBend Cell zum automatisierten Biegen von Blechteilen. Für letztere Maschinen hat TRUMPF sogar eigene Roboter entwickelt, um den speziellen Anforderungen – wie etwa besonders kraftvollen Gelenken am Ende des Roboterarms – gerecht zu werden.
Das große Potential moderner KI-basierter Robotik für den Maschinenbau hat TRUMPF früh erkannt. Wir arbeiten hier beispielsweise mit Intrinsic zusammen, einem führenden Unternehmen für KI und Robotik-Software des Alphabet-Konzerns. Ein erstes Produkt ist der SortMaster Vision, mit dem uns im letzten Jahr zusammen mit dem SortMaster Station ein Durchbruch beim automatisierten Absortieren von 2D-lasergeschnittenen Teilen gelungen ist: Nach dem Laserschneiden trennt der SortMaster Station die Teile unabhängig von ihrer Geometrie aus der Blechtafel. Anschließend werden die Teile in den Absortierbereich des SortMaster Vision befördert. Dort erkennt ein großer Industrieroboter die getrennten Teile mit Hilfe einer KI-gestützten Bilderkennung selbstständig. Anschließend simuliert er verschiedene Entnahmen und wählt zur Laufzeit die geeignetste aus. Dadurch entfällt jegliche Programmierung.
Was fasziniert dich persönlich an dieser neuen Robotik-Welle am meisten? Gibt es eine Innovation, auf die du dich jetzt schon richtig freust?
Ich habe mich in der Forschung viele Jahre damit beschäftigt, einem Roboter beizubringen, komplexe Aufgaben in Teilaufgaben herunterzubrechen und mithilfe seiner verschiedenen Fähigkeiten effizient zu lösen. Die neuen KI-Methoden ermöglichen hierfür natürlichsprachliche Anweisungen, Gesten und beispielhaftes Vormachen – unter Verwendung von Alltags- und Allgemeinwissen, das in entsprechende KI-Modelle eintrainiert wurde.
Die Forschung arbeitet intensiv daran, entsprechende Entscheidungsprozesse erklärbar zu machen. Ich freue mich darauf, einen Roboter nach einer irritierenden oder unerklärlichen Aktion eines Tages fragen zu können „Warum hast du das eben gemacht?“ und er mir dafür eine verständliche und plausible Erklärung in natürlicher Sprache gibt.
SAVE THE DATE
Dr. Ralph Lange eröffnet Future Rising
4. Juli 2025 im SmartProductionPark, Rintheimer Str. 21-23, 76131 Karlsruhe
Mit seiner Keynote gibt der KI- und Robotik-Experte von TRUMPF exklusive Einblicke in die nächste Stufe industrieller Automatisierung.