Im CyberForum Netzwerk steckt unglaublich viel Wissen. Dieses Wissen wollen wir in dem neuen Format „Wissen aus dem Netzwerk“ zum Nachlesen zur Verfügung stellen. Es erwarten euch wertvolle Tipps und Informationen aus unseren RoundTables und anderen Veranstaltungen. In dem ersten Artikel beleuchten wir mit Timo Schutt von der IT-, Event- und Datenschutz-Kanzlei Schutt, Waetke Rechtsanwälte das Thema „Arbeitszeiterfassung nach dem Grundsatzurteil“.
Nach dem Urteil des europäischen Gerichtshofs zum Thema „Arbeitszeiterfassung“ musste das Bundesarbeitsgericht nachziehen. Am 13.09.2022 hat es daraufhin die Pflicht der Arbeitgeber*innen zur Erfassung der Arbeitszeit beschlossen. Wenn man das Gerichtsurteil liest, scheint jedoch noch vieles unklar. Da es aktuell jede/n Arbeitnehmer*in betrifft, wollen wir das Urteil erklären und eventuelle Unsicherheiten aus dem Weg räumen.
Was bedeutet das Urteil?
Das Urteil sagt aus, dass der oder die Arbeitgeber*innen dazu verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit von den Arbeitnehmer*innen zu erfassen und zu dokumentieren. Das heißt, es muss der Beginn und das Ende der Arbeitszeit erfasst werden. Ziel dahinter ist der Arbeitnehmerschutz in Bezug auf die Einhaltung der Ruhezeiten und Höchstgrenzen von Arbeitszeiten. Dazu wurden das Arbeitsschutzgesetz sowie das EU-Grundrecht auf angemessene Arbeitsbedingungen herangezogen.
Welches sind die konkreten Anforderungen?
Jedes Unternehmen muss ein objektives, verlässliches und zugängliches System einführen, mit welchem die von den Arbeitnehmer*innen geleistete tägliche Arbeitszeit (abzüglich Ruhepausen und einschließlich Überstunden) gemessen und dokumentiert werden kann. Der oder die Arbeitgeber*in hat dabei den Auftrag zu überprüfen, dass die Arbeitszeit von den Arbeitnehmer*innen tatsächlich erfasst wird und sicher zu stellen, dass Kontrollen durch Behörden möglich sind. Außerdem ist das wirtschaftliche Interesse untergeordnet. Das Argument „Ich kann es mir nicht leisten“ zählt also nicht. Darüber hinaus ist der oder die Arbeitgeber*in zu Stichproben verpflichtet, die dokumentiert werden müssen. Diese sind dazu da, um eingreifen zu können, wenn z. B. die Ruhezeiten nicht eingehalten werden. Gleichzeitig hat der oder die Arbeitnehmer*in eine Informationspflicht, wenn die Zeiten überschritten werden.
Die Umsetzung
Für die Umsetzung gibt es noch keine Regelung. Das heißt, es spielt keine Rolle, ob der oder die Arbeitnehmer*in ein Excel Sheet ausfüllt, eine App nutzt oder es schriftlich auf Papier festhält. Da es keinerlei Vorgaben gibt, spielt auch die Einheitlichkeit innerhalb des Unternehmens keine Rolle. Es muss einzig und allein die Überprüfbarkeit der Arbeitszeit durch den oder die Arbeitgeber*in und die Behörden gewährleistet sein sowie (wöchentliche) Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten eingehalten werden. Der oder die Arbeitgeber*in kann dabei die Überwachungspflicht an Führungskräfte delegieren.
Gibt es Ausnahmen?
Es ist zurzeit umstritten, ob bestimmte Beschäftigungsgruppen, wie z. B. leitende Angestellte mit eigener Entscheidungsbefugnis, auch ihre Arbeitszeit erfassen müssen. Bis zur Klärung ist empfehlenswert das zu tun.
Herausforderungen
Datenschutz:
Die Zeiterfassung muss die Vorgaben der DSGVO einhalten. Die Umsetzung muss daher datenschutzkonform sein. Beispielsweise muss es ein Löschkonzept auch hinsichtlich der erfassten Arbeitszeiten nach der DSGVO geben. Die Zeiterfassung darf keine Überwachung oder Profilbildung ermöglichen.
Vertrauensarbeitszeit:
In vielen Unternehmen hängt die Vertrauensarbeitszeit eng mit der Unternehmenskultur zusammen. Allerdings ist diese nun nur noch beschränkt möglich. Der oder die Arbeitgeber*in muss keine Vorgaben zum Beginn und Ende der Arbeitszeit machen. Das heißt, es kann weiterhin mit Gleit- und Kernarbeitszeit gearbeitet werden. Dass der oder die Arbeitnehmer*in jedoch unabhängig von der tatsächlichen Arbeitszeit seiner Arbeitspflicht nachkommen kann (das Ergebnis ist wichtiger als die Dauer) ist nicht mehr möglich.
New Work:
Das neue Urteil steht in Diskrepanz zu den von vielen geschätzten New Work Ansätzen, wie z. B. flexibles Arbeiten aus Home Office oder „Workaction“. So können Eltern, die sich am Nachmittag um ihre Kinder kümmern und gegen 22:00 Uhr noch mal beginnen zu arbeiten, eigentlich nicht am Daily um 8:00 Uhr am nächsten Tag teilnehmen (mindestens 11 zusammenhängende Stunden Ruhezeit).
Was passiert, wenn ich mich als Unternehmen nicht daran halte?
Das unternehmerische Risiko ist aktuell gering. Bei einem Verstoß gibt es im ersten Schritt kein Bußgeld. Später kann dies jedoch bis zu 30.000 Euro betragen. Da die beschriebenen Vorgaben noch nicht gesetzlich normiert sind, hat man hier einen gewissen Spielraum. Detaillierte Vorgaben werden wohl folgen.
Fazit
Arbeitgeber*innen müssen die Arbeitszeit erfassen oder die Erfassung an ihre Arbeitnehmer*innen delegieren. Dabei müssen sie sicherstellen, dass die Umsetzung möglich ist und auch umgesetzt wird. Es gibt kein Schlupfloch. Allerdings ist die Umsetzung bisher jedem freigestellt.